Über mich und wie die Jurte mein Leben veränderte

Zur Entdeckung der Jurtenbauweise für mitteleuropäische Klima- und Lebensverhältnisse

1981 hat mich ein harmloser Lichtbildervortrag über die Mongolei verzaubert: Da wurden schlichte Filz-Zelte als Behausung gezeigt. So etwas sehen Millionen, doch wem fällt schon auf, welch eine gesellschaftsrelevante Dimension sich dahinter verbirgt? Und sogleich war meine dringende Frage: geht das auch für Mitteleuropa! Jurten – das sind mit einfachsten Werkzeugen und äußerst kostengünstig herstellbare, textile und sogar mobile Behausungen, die in den extremsten Klimabereichen zwischen Kaukasus und Sibirien verbreitet sind. Sie geben Schutz vor Temperaturen über minus 50° und plus 40° und vor Stürmen bis 300 km/h. So sind sie unglaublich stabil und dennoch genial leicht, transportierbar und dabei ausgesprochen behaglich. Warum gibt es nichts Vergleichbares bei uns, was in sich so viele Vorteile vereint?
Doch es sollte fast 20 Jahre dauern, bis bei mir selbst die Saat aufging (wobei mich stets auch andere Low-Cost-Bauweisen und insbes. Kuppelbauten interessierten), bis ich 1998 erstmals im Leben Miete zahlte und fand, nun wäre es an der Zeit, meinen lange gehegten Traum zu verwirklichen.
Ich holte meine vergilbten Skizzen und Aufzeichnungen hervor, machte mich via Internet schlau und besuchte eine kleine Jurtensiedlung von Mongolen, die nur unweit von meinem Heimatort Graz entfernt lag. Das war gut so, denn es hat mir nicht nur eine Reise ins Ursprungsland erspart: Zu dieser Zeit gab es gerade eine Woche lang permanenten November-Schnürlregen, und obwohl nicht angenehm, war es in dem Fall mein großes Glück: Als ich nämlich das schmucke Filz-Zelt betrat, stiegen mir die Mängel traditioneller Jurten für unser Klima sofort in die Nase: Es roch ziemlich penetrant nach Schaf, Urin und Schimmel, und die Mongolen dachten selbst daran, es mit LKW-Planen zu überdachen und die überkragende Plattform, auf der die Jurte stand, auf deren Größe zu reduzieren und sie auf Stelzen zu stellen.

Diese Erfahrung hätte ich im zumeinst sehr trockenen Ursprungsland gar nicht haben können. Nun aber sah ich mich vor die Herausforderung gestellt, diese an sich total geniale Bauweise erst mal an unser Klima und unseren gewohnten Wohnkomfort anzupassen. Konnte ich dazu von anderen Pionieren im Westen lernen? Kaum! Die einige schmale Spur im Internet führte zu sehr beschränkten Weiterentwicklungen in den USA. Dort hat Mitte der 70er Jahre ein Einzelner, Bill Coperthwaite, im Zuge der Hippie-Bewegung eine kleine Bewegung ausgelöst: „The Yurt-People“. Doch seitdem wuchs und wächst die Zahl der „runden“ Dörfer in Übersee beständig.
Nun verleitet allerdings die (keineswegs nur) amerikanische Oberflächlichkeit besonders dazu, mit der Erde so umgehen, als hätten wir eine zweite in der Hosentasche. Bei der Hausisolierung wird generell geschlampt. Und die professionellen amerikanischen Jurtenbauer begnügen sich mit alu-bedampfter Plastikfolie. Um akzeptablere Lösungen für dieses Problem zu finden, musste ich also weiter meine eigenen Wege gehen.

meine Anfänge

Ich begann also im August 2000 konkret mit meinem ersten eigenen „Jurten.heim.at“, d.h., ich zog einfach aus der Mietswohnung aus, breitete meinen Schlafsack auf die Torfmullballen in der großen Garage der Baumschule meiner Schwester, präparierte den Platz für eine zweistöckige Jurte auf einem 1000-qm-Pachtgrundstück bei ihr (in Graz) und begann nach eigenen Plänen, 12 tortenstückartige Fußbodenteile für die Jurte meiner Vorstellung herzustellen. Und nach und nach alle anderen Teile. Im Herbst konnte ich dann schon provisorisch einziehen und baute emsig weiter. Dabei machte ich natürlich viele Anfängerfehler, aus denen ich aber viel lernen durfte.

Hinterlüftung und andere Innovatonen – die entscheidenden Durchbrüche

Bezüglich Schimmelgefahr war ich ja schon durch den Besuch der Mongolen-Siedlung gewarnt, aber es hat doch einige Zeit gebraucht, bis der Einbau einer Hinterlüftung aller Wand- und Dachteile fertig war. Die Kombination von Isolierung, Dampfbremse und mind. 5 cm Hinterlüftung ist dabei von entscheidender und unumgänglicher Bedeutung für den europäischen Wohn-Jurtenbau. Erst als ich dazu passende Lösungen bieten konnte, begann ich ab 2004 JURTENBAU-WORKSHOPS nach dem „Open-Source-Prinzip“ anzubieten. Dieser Weg erwies sich als wesentlich besser für die ganze Jurtenbau-Forschung, als wenn ich den der Auftrags-Dienstleitung beschritten hätte. Und ich hielt mir damit auch viel Ärger und Rückschläge vom Hals…
Allerdings war damit das Problem noch nicht vom Tisch, dass der Taupunkt sich immer noch in der Dämmung befindet, was bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sehr wohl noch zu einem Feuchtigkeitsstau in der Dämmung führen kann, wie sich in den folgenden Jahren herausstellte. Dabei spielt die Feuchtigkeit, die von innen in die Dämmung kommt, die Hauptrolle. Dieser Vorgang konnte bisher nur dadurch gestoppt werden, dass das Dach innen nicht textil, sondern mit Hartfaser-Platten ausgekleidet wird.
Dasselbe gilt für die Wand, aber da gab es noch eine andere Hürde, die gemeistert werden wollte: Eine Dämmung mit Schafwollvlies, eines der wenigen leistbaren Materialien, das sich zusammendrücken lässt beim Transport, um danach wieder (annähernd) das gleiche Volumen zu erreichen (Filz kam von vornherein nie in Frage, hat nur Nachteile, ist teuer und kaum zu beschaffen!) hat kein Stützgewebe, fällt also sowohl bei Dach wie an der Wand herunter. Also durchbrach ich ein Tabu und ersetzte das Wand-Scherengitter ebenfalls durch Hartfaser-Platten. Das stellte sich als ein bedeutender Schritt der Erleichterung der ganzen Bauweise heraus, weshalb ich bish heute dabei geblieben bin.
Die langwierigste Forschung betraf den Lichtring und die Kuppel, und ich probierte gut 50 Varianten durch, bis ich heute bei einer befriedigenden Lösung angelangt bin. So änderte sich nach und nach die gesamte Bauweise und letztlich bleibt von der klassischen Jurte nur noch die Bau-FORM gleich, während die Bau-Weise heute zur Gänze anders aussieht… Aber das hat jedesmal bedeutsame Gründe, sonst würde ich das nicht tun…

Offenlegung und Angebot der Bauweise

Indem ich so lernte, meine Erfahrungen offen und rückhaltslos weiterzugebe, also ohne die übliche kapitalistische Vereinnahmung und Geheimhaltung, war eine sehr kostengünstige und erfolgreiche Optimierung der Jurtenbauweise für unsere feuchten Klimazonen überhaupt erst möglich. Mir liegt nichts daran, aus der modernen Jurte ein kommerzielles Fertigprodukt von der Stange zu machen, im Gegenteil, aus energetischen Gründen (und nicht nur aus finanziellen) rate ich dazu, dass die zukünftigen BewohnerInnen hier selbst Hand anlegen. Das geschieht eben durch die Weitergabe des ganzen Wissens zu dieser Bauweise. Wer seine Jurte selber baut, wird immer wesentlich kostengünstiger abschneiden als jede Art Fertigprodukt, das sich daraus machen und marktwirtschaftlich ausschlachten lässt.
Und dazu gibt es eben die Jurtenbau-Workshops, die unter „Jurtenbau-Workshops“ aufgelistet sind