Bilanz meiner Neuseeland-Reise

Alternativkultur auf Neuseeland

Die Entscheidung zu dieser Reise fiel eigentlich recht spontan und fühlte sich einfach sehr gut an für mich. Gründe dafür gab es genug, u.a., dass ich den Winter nutzen wollte, um meine Jurtenbaukenntnisse weiter voranzubringen und sowohl endlich eine Art Standard zu finden als auch das Spektrum der Bauweisen zu erweitern. Der Anlass war eine Einladung dorthin von einem Schweizer, der in einer der schönsten Gegenden der Südinsel ein 7-ha-Grundstück hat und es mehr mit Menschen und Jurten beleben wollte. Als ich bei ihm war, stellte sich zwar bald heraus, dass ihm dazu praktisch alle finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen fehlten, aber dafür taten sich anderweitig sehr gute Türen auf, und davon will ich hier berichten.
Einige positive Eigenheiten der Neuseeländer wurden mir bereits im Vorfeld bekannt: Dass dort der ursprüngliche Pioniergeist der Siedler immer noch zu spüren ist, dass die Menschen sehr flexibel und aufgeschlossen sind und sich selber gut zu helfen wissen. Viele sind recht gute Handwerker und haben u.a. ihre Häuser zumindest selbst mitgebaut. Das Umweltbewusstsein ist vergleichsweise recht hoch, und in der erwähnten besonders schönen Gegend, in der ich mich am meisten aufhielt (Golden Bay) sind über 30% Grünwähler… Was ich dazu noch während meines Aufenthaltes erfuhr: Das malerische Städtchen (eher ein Dorf nach unseren Maßstäben) ist deswegen so bunt und niedlich, weil seit den 70er Jahren dort bevorzugt Hippies siedelten. Tatsächlich gibt es nirgendwo sonst so viele Künstlerläden und Häuserschmuck und bunte, freakige Kleidung ist fast der Normalfall. Ich war also die meiste Zeit in der Hochburg der Alternativkultur und auch in mehreren Gemeinschaftssiedlungen. Desgleichen war ich auf einem einwöchigen Festival dieser Geschmacksrichtung und fühlte mich versetzt in eine Zukunft der Aufatmngsphase nach dem Zusammenbruch der modernen Ausbeutungsära, wo menschliche Werte und die Achtung vor der Natur endlich wieder im Mittelpunkt stehen. Dort fand ich auch ein Ehepaar, das sich schon sehnlichst eine Jurte wünschte und auch bereit war, einen Workshop dazu zu organisieren.

1) Erstes Jurtenbauworkshop in der Purau-Bucht bei Christchurch
Dieser Workshop gelang leider nicht optimal (d.h. wir wurden nicht fertig mit den Schritten durch alle wichtigen Bauteile), weil ich mitten im Kurs eine Grippe bekam und weil die Bauherrn entgegen meinen Bedenken unbedingt auf der Fertigung der aufwändigsten Fußbodenvariante während des Workshops beharrten. Ein solcher Fußboden ist aber noch der konventionellste Bestandteil der Jurte. Meine Lehre daraus:
a) Nach dieser Erfahrung ist dieser Bauteil nicht mehr Teil des Workshops (der ansonsten 14 Tage dauern müsste). In Zukunft soll der Fußboden bereits von den Besitzern vorgefertigt sein, welche die Workshop-Jurte behalten wollen und auf deren Grundstück der Kurs stattfindet. Im Übrigen habe ich aber auch hier hinzugelernt, v.a. in Bezug auf die Präzision der Fertigung der zerlegbaren „Tortenteile“ und wie man die Jurte am besten vor Ratten etc. schützen kann.
b) Seit den Vorbereitungen für diesen Kurs ist endlich eine bis zur letzten Schraube genaue Material-Liste (englisch/deutsch) verfügbar für eine Jurte, für die alles Material gekauft werden muß. (die eingefügte Preis- und Resourcenliste der günstigsten Einkaufsquellen auf Süd-Neuseeland kann allerdings aufgrund der Vielfalt der Wahlmöglichkeiten bei uns nicht so präzise gestaltet werden).
c) Ebenso gibt es nun genaue und detaillierte Baupläne (englisch/deutsch) für eine bewegliche 30qm-Jurte (Bewilligungs-Freigrenze in vielen Ländern). Eine Umzeichnung auf andere Größen ist natürlich gegen Arbeitskosten möglich.
d) Meine Homepage gibt es seither endlich auch auf englisch.
e) Organisationserfahrungen in einem fremsprachigen Land mit einer Marktstruktur, die noch weniger zentralisiert ist als unsere europäische (wichtig beim Zerfall des Global-Marktes).

2) Zweiter Jurtenbauworkshop in den Bergen der Golden Bay (Nordwestteil der Südinsel)
a) Das war nun – als Trost zum anderen – mein bisher schönster und lehrreichster und die Veranstalter und ich sind echte Herzensfreunde geworden! Wir verbrachten eine ganz wunderbare Zeit miteinander. Alle elf TeilnehmerInnen waren hochzufrieden – eine bunte Gesellschaft: Vier Kiwis (Neuseeländer), drei ÖsterreicherInnen, drei AmerikanerInnen, eine aus Israel… Und wir brachen alle bisherigen Low-Cost-Rekorde mit der neuen Bauweise! Bilder davon siehe Galerie (man sieht zwar von diesen beiden Jurten ebenso nur das Holzgerüst auf den Bildern, wir haben aber die Isolierung ausführlich an Probestücken durchgemacht und das Skylight wurde auch fertig).
b) Von einer der zwei hier gefertigten Jurten hatten Stef (Veranstalter), ein Wwoofer und ich die Holzkonstruktion größtenteils bereits vor dem Workshop gemacht, komplett aus Hartholz-Jungschößlingen aus dem angrenzenden native busch. c) Im WS (Workshop) begannen wir den Fußboden und die Wand mit Strohlehm auszufüllen, letztere sehr schön blütenförmig durchbrochen von bunten Flaschen, wo das Licht durchscheint. Es wird ein wunderschöner und dadurch unschlagbar preisgünstiger Rundbau!
d) Außen wird die Strohlehmwand zum Schutz vor Nässe überzogen mit einer dünnen Kalk-Zementschicht (mit Hanffaser).
e) 3m entfernt fertigten wir während des WS eine kleinere 3m-Jurte ganz aus Bambus für die Küche. Sie wird aber letztlich 5,5m im Durchmesser haben, denn ein breites Vordach rundherum schützt einerseits die Strohlehmwand (ohne Verputz) davor, abgewaschen zu werden.
f) Zum anderen entsteht aus diesem Vorbau sonnseitig ein Gewächshaus und hinten ein Abstellraum.
g) Der 3m-Korridor, der beide Jurten verbindet, wird zugleich Badezimmer und Gewächshaus sein.
h) Und die ganz besondere Besonderheit: Das Scherengitter steht auf Baumfarn-Stämmen, die den Jurtenboden aus Hartholz-Stöckelpflaster umgrenzen. Ebenfalls aus Farnbaumstämmen besteht die hintere Wand des Korridor-Gewächshaus-Bades, die jahrzehntelang der Nässe standhalten bzw sogar neu austreiben bzw. durch Rankenpflanzen und Moos grün werden und obendrein sehr gut isolieren (v.a. innen, wo sie trocken sind). Im anschluß daran haben wir sogar ein ganzes Rundbau-Dach aus längs in der Mitte durchgeschnittenen Baumfarm-Stämmen entworfen (untere und obere Teile werden halbseitig versetzt). Hierzulande haben wir leider diese Wunderpflanze nicht und müssen daher andere Wege beschreiten. Eine Umgrenzung aus eingegrabenen Akazienstämmen ist aber auch bei uns möglich (am besten in Abständen in Verbindung mit Wellbitumenplatten).
i) Jedenfalls war die Begeisterung über diese Ideen und Kreationen bei allen groß. Wir nannten das die „Pongatree-Building-Revolution“ für Neuseeland. Hab übrigens in einem Shop Baumfarn-Samen gefunden und werde versuchen, sie bei uns in der Baumschule groß zu ziehen. Sie müssten zumindest mäßig winterhart sein, weil sie auch noch im kalten und schneereichen Süden von Neuseeland wachsen.

3) bez. („Talente“-)Tauschkreise: Bringe hierfür einige wertvolle Tipps mit. Auf NZ sind die Grenzen zwischen „normalen“ und „alternativ“ orientierten Leuten sehr fließend, speziell in der Golden Bay. Tauschen statt kaufen gehört hier schon zum normalen Alltag. Getauscht wird übrigens gern über einen sehr gut entwickelten Internetserver im Lande und sogar über einen, der in Südafrika steht, wo jeder Tausch „offshore“ (ohne Regierungseinfluss) und ohne aufwendige Bürokratie, wie wir sie noch haben, getätigt wird. Mir kommt vor, das sieht interessant aus. Ich glaube nicht, dass unser Tauschkreis als Begegnungsstätte darunter leiden mus, speziell nicht in der Form, wie wir ihn in Graz gestaltet haben (Veranstaltungen und Aktivitäten).

4) Und noch was: Das Müllproblem wird viel stärker schon an der Basis „entsorgt“, weil alles bis ins Letzte wiederverwertet wird. Die Entsorgungs-Plätze sind somit Wiederverwertungs-Plätze und sehr beliebte Einkaufs- bzw. Tauschziele. Ich glaube, sowas sollten wir auch machen! Hat auf jeden Fall eine große und sichere Zukunft bei dem rapiden und sich rasch beschleunigenden Abgesang der normalen Weltwirtschaft. Unser Einweg-Müll-Recyling ist dagegen ein primitiver Schandfleck!

5) Hab auch wertvolle Ideen und etwas Praxis für mein Lebens-Schul-Projekt hier gewinnen können. Es ist ein Verschmelzen (Synergie) mehrerer Ideen (Correspondence-School, Seminarort, Gemeinschaft, Jugendarbeit mit absolut großartigen Initiationsritualen für die Jugendlichen, Wwoofing, Tauschkreise…)

6) Noch eine kleinere Besonderheit am Rande:
Hab viele Wizard- und Talking-Sticks im Wald gesammelt, etwas Einzigartiges, was wir nicht haben, weil es bei uns nicht diese Schlingpflanzen gibt, die hier den Baumschössling spiralig wachsen lassen, ohne ihm zu schaden… Sieht einfach toll aus, und Rede-Stäbe sind ein schönes und wichtiges „Handwerkzeug“ der neuen gewaltfreien Kommunikationsform, die hier ebenfalls grad sehr im Anwachsen ist. Wizard-Sticks sehen gleich aus, sind aber länger: spiralig geformte Wanderstäbe, das wichtigste Requisit der dem Film „Herr der Ringe“ entsprungenen Zauberer (der ja auch auf Nz hauptsächlich gedreht wurde).

7) Hochgeschätzt und vielfach imitiert wird hier zudem Friedensreich Hundertwasser, allerdings hat er – so glaube ich – eher seine Ideen von den Neuseeländern abgeguckt als umgekehrt. Trotzdem sind diese Ideen hier auf allerfruchtbarsten Boden gefallen. Doch wenn ich das nächste Mal wiederkomme, werde ich sowohl seine grasbedeckten Bauten wie seine Humustoiletten um einen wesentlichen Schritt weiter revolutioniert haben. Die entscheidenden Schritte für beides haben wir am letzten Workshop in Golden Bay kreiert bzw. weiter entwickelt, es ist einfach fantastisch (StichwortGrasdach“ und „Spatenklo“)! Strohballenbau ist hier übrigens schon recht verbreitet und ziemlich gut entwickelt. Ein weiterer Österreicher ist hier sehr berühmt, der auf der Nordinsel Permakultur mit tropischen Früchten betreibt, nämlich Joe Polaischer. Auch er gibt in D und A Seminare. Österreich und Neuseeland haben nicht nur landschaftlich vieles gemeinsam, aber die Herzlichkeit und Freundlichkeit der Menschen ist noch um einiges grösser und es ist wichtig, dass wir diese Gemeinschaft weiter vertiefen.

8) In diese Richtung ging meine Teilnahme am WORLDDRUM-PROJECT in Golden Bay. Ich hab Österreich und Slowenien schon als deren weiteres Veranstaltungsziel sogleich angemeldet. Wer möchte mithelfen, das zu organisieren bzw. weiterzuverbreiten? Es beginnt – unter der Leitung einer erfahrenen Cherokee-Medizin-Woman – mit Schwitzhütte, Medizinrad und Friedenspfeife, dem Setzen eines Friedensbaumes und natürlich einem richtig ordentlichen Fest mit viel Gesang, Tanz und Trommelmusik (u.a.) und allem, was die Achtsamkeit, Freude und Einheit der alternativen Weltgemeinschaft stärkt. Dazu gibt es Vertiefungsworkshops an den darauffolgenden Tagen…

Bin während alledem sehr eins geworden mit der Natur, dem faszinierenden „native bush“ und vor allem den Herzen so wunderbarer Menschen, die hier leben!
Hier hat die Zukunft nach dem Untergang der Titanic schon begonnen, denn Nz ist ein Schmelztiegel der besten UM-Steiger-Ideen der ganzen Welt. Hab so viel davon lernen können, bin mit vollen Händen gekommen und mit noch viel volleren Händen wieder zurückgekehrt!